Wer Verallgemeinerungen und einfache Antworten auf Fragen sucht, wird bei Reinhard Haller nicht fündig. Derart komplexe psychische Phänomene wie der Narzissmus können nie auf ein bis zwei Ursachen zurückgeführt werden, sondern allenfalls mit fördernden Umständen, mit psychosozialen Bereitschaften und mit erhöhter Anfälligkeit in Verbindung. (vgl.: S. 158).
Wollen wir mit narzisstischen Menschen zurechtkommen, ist es unabdingbar, Übertragungen und Gegenübertragungen zu erfassen, unsere möglicherweise komplementäre Rolle zu reflektieren und sich von der Atmosphäre des Narzissten zumindest emotional zu distanzieren. Dies werden wir nur erreichen, wenn wir den ganzen Bogen der narzisstischen Störungen, von Glanz bis Elend reichend, kennen (vgl.: S.27).
Um die Verschiebung der individuellen und gesellschaftlichen Koordinaten hin zu einem selbstsüchtigen, rücksichtslosen und kalten Lebensstil geht also es in diesem Buch. In den zahlreichen Beispielen über narzisstische Situationen und Personen soll der Leser sich und seine Mitmenschen erkennen können, ganz wie beim Blick in den Spiegel: wirklich, nicht verzerrend, nicht beschönigend und nichts entstellend, sondern klar, nicht verschleiern. Als neutraler Beobachter und unbestechlicher Beschreiber soll das Buch dem Leser selbst ein Spiegel sein (vgl.: S.14).
Meinen Erfahrungen nach verändern sich Führungskräfte massiv mit zunehmenden Machtgewinn. Vielfach sehr zum Leidwesen ihrer Partner, Kinder und Mitarbeiter. Aus vertrauensvollen Gesprächen weiß ich, dass sie sich vielfach beim Blick in den Spiegel selbst nicht mehr mögen. „Die Narzissmusfalle“ von Reinhard Haller ist insofern Pflichtlektüre für jeden gegenwärtigen und zukünftige Manager.
Herzlichst, Ihre Andrea von Graszouw